Sehr faul! Und das macht bei 18 Kilometern Paddeln schon einen Unterschied.

Trotzdem war es ein wunderschöner Tag auf der Altmühl in toller Natur. Dabei durfte ich ein Sekunden-Highlight erleben.

Der Anlass für diesen Ausflug war das letzte Uni-Konzert unserer jüngeren Tochter Vanessa zum Ende ihres Studiums. Dazu fuhren mein Mann und ich nach Eichstätt an die KU. Nach vielen Fahrten dorthin in diesen Jahren – vom Tag der offenen Tür über die musikalische Eignungprüfung und zwei Umzügen im Ort bis zur Staatsexamensfeier am vorigen Samstag – war mir schon recht wehmütig zumute.
Ein neuer Lebensabschnitt unseres jüngsten Kindes beginnt nach dieser Woche: das Referendariat mit vorherigem Umzug.

Zuerst freuten wir uns auf das Semesterabschlusskonzert, das wieder einmal mit hochwertigem Programm aufwartete und vom Studienanfänger bis zum Absolventen vielen tollen Musikern die Chance gab, ihr Können zu zeigen. An dieser Stelle ein dickes Lob an die Uni Eichstätt und ihre Lehrenden: Zwischen den schönen altehrwürdigen Mauern und dem modernen Musikgebäude spürte ich immer die Gewissheit, dass unser Kind gut aufgehoben ist, unterstützt und gefördert wird und Anschluss findet. 
Mein Mann schüttelte an diesem Abend immer wieder ungläubig und etwas neidisch den Kopf: Was für ein Unterschied zu seinem Studium an der TU München mit 1200 Erstsemesterstudenten im Bereich Maschinenbau!

marktplatz eichstaettAnschließend gönnten wir drei uns einen späten Cocktail im Bogartz, dann trennten wir uns. Mein Mann und ich parkten unseren Bully am Wohnmobilstellplatz an der Altmühl. Ein schönes ruhiges Plätzchen, bis auf regelmäßige drachenähnliche Töne aus dem Gebäude oberhalb des Stellplatzes (keine Ahnung, was darin passiert). 

Nach einer erholsamen Nacht spazierten wir an der Altmühl entlang in die Altstadt und kehrten zum Frühstück ein. Normalerweise sitzen wir mit unserem Kaffee lieber in der Natur neben unserem Bus, aber für eine Nacht alles einzupacken, dazu fehlte einfach die Zeit.
Und es gibt wirklich Schlimmeres als in Eichstätt am Marktplatz zu sitzen und den Schülern bei ihrem vorletzten Unterrichtstag zuzuschauen, wie sie offensichtlich eine Schnitzeljagd mit Fragen bewältigen.

Seit dem Beginn der Studienzeit unserer Tochter nehmen wir uns die Altmühl-Paddeltour vor. Bisher scheiterte es entweder am Wetter, am Auslandsaufenthalt von Vanessa, an Corona oder eben an der lieben Zeit. Aber jetzt ist das Studium aus – unsere letzte Chance, auch auf einen bequemen Transport zum Startort.
Vanessa brachte uns mit unserem aufblasbarem Kajak bis nach Dollnstein. Wir hatten uns vorher schlau gemacht. Hat der Fluss genug Wasser? Ja, man kann fahren. Die Erfahrung sagte uns, dass 18 Kilometer mithilfe der Strömung zu schaffen sind. 12 Kilometer rund um Herrenchiemsee gegen die Wellen haben wir schon bewältigt, und wenn der Fluss mithilft ... So dachten wir.
kajakfahrt start
Die Realität: Ja, es gab genug Wasser. Wenn es einem nichts ausmacht, an die zehn Mal aus dem Boot zu springen, weil man aufsitzt.

Eine helfende Strömung? Gab es auch – auf den letzten 100 Metern vor dem Ziel.
Bis dahin ackerten wir teils im Gegenwind, der das Boot ohne unser Zutun sogar flussaufwärts getrieben hätte. Das muss man sich mal vorstellen! Wir hörten später von der netten Campingplatzbetreuerin, dass manche Paddler die Altmühl das »längste stehende Gewässer Deutschlands« nennen. Das trifft es ziemlich gut.

kajakfahrt felsenTrotzdem war es ein wunderschöner Trip durch das Tal zwischen hochaufragenden Felsen und weiten Feldern hindurch. Mal sah die Umgebung aus wie an der Alz bei Seebruck, mal sogar etwas nach dem Spreewald. Wir schoben uns leise an Entenfamilien und Blesshühnern vorbei und störten einen Reiher bei seiner Fischsuche, der nach dem dritten Auffliegen begriff, dass es sinnvoller wäre, hinter unserem Boot zu landen.

Und dann kam zwischen x-maligem Aus-dem-Boot-Springen mangels ausreichender Wassertiefe mein Highlight: Ich sah einen Eisvogel – nur zwei Sekunden, aber immerhin. pexels andrew mckie 3177386 EisvogelIch habe so oft gehört, dass es ihn bei uns gibt und hatte noch nie das Glück, einen zu sehen. An diesem Tag flatterte er türkis glitzernd vor uns über das Wasser und verschwand zwischen den Ästen am Ufer. Mein Herz war ganz ganz weit in diesem Moment, alle Sorgen des Alltags waren dahin. Ein Foto war natürlich nicht möglich, aber so sieht er aus.

Ein kleiner Biber oder eine Bisamratte, das war nur am Kopf nicht zu erkennen, schwamm hinter den Ufergräsern entlang. Unglaublich viele Höhlenzugänge in dem schmalen Erdbereich zwischen Wasser und Wiesen lassen erahnen, wie dicht »besiedelt« dieser Fluss ist. 

Wir hatten uns extra für diese Fahrt einen aufklappbaren Mini-Transportwagen angeschafft, der sich leicht vorne aufs Boot binden lässt. Der kam nun bei den drei Wehren auf unserer Strecke zum Einsatz.
kajakfahrt umsetzenEin superpraktisches Teil, leicht anzubringen und schnell wieder zu verstauen. Unser Boot wird nämlich schwer, wenn es vollbeladen ist (mit Badetaschen, Brotzeit, Klamotten) und bereits im Wasser war. Da können 100 Meter Tragen schon sehr sehr lang werden.
Mit dieser Hilfe brachten wir Nummer 1 hinter uns. Es folgte noch ein letzter Teilabschnitt, der unser Sprungvermögen testete, dann ab Obereichstätt – also im letzten Drittel – wurde das Wasser tief.
Wir machten eine halbe Stunde Rast mit Brotzeit auf einer Wiese, badeten und fuhren dann mit deutlich höherem Tempo auf Eichstätt zu. Endlich tauchte vor der letzten Kurve die Burg oberhalb Eichstätts auf. Endspurt!

Mit schmerzenden Armen – meine Blase am Daumen vom Chiemseeausflug am Wochenende zuvor war gerade verheilt und die Radlhandschuhe hatte ich wieder vergessen – und zusammengebissenen Zähnen brachten wir das nächste Wehr hinter uns, paddelten am Freibad vorbei und durch die Innenstadt mit ihren beeindruckenden Gebäuden. Hier fielen wir auf einen Ausstiegshinweis hinein, dem wir nicht hätten folgen müssen. Es war eben nur ein Ausstieg, kein »lebensgefährliches« Wehr. Das stellten wir beim Wieder-ins-Wasser-Lassen fest, als wir uns zwischen Liegestühlen durchgeschoben hatten. Egal, wir konnten trotz der Schmerzen noch lachen, als wir sahen, dass wir nur eine Brücke umschoben hatten!

kajakfahrt wehrEin letztes Wehr umgingen wir zwischen feiernden Studenten, die uns nur ungern Platz auf den Stegen machten (sorry, aber dafür sind sie halt mal da). Und dann tauchte die Uni im Hintergrund auf, der mutmachende Hinweis auf unser nahendes Ziel.

Drei Minuten später hoben wir unser braves Kajak, das an diesem Tag nach fünf Jahren Gebrauch seine ersten kleinen Kratzer abbekommen hatte, aus dem Wasser, packten es ein und machten uns auf den knapp zweistündigen Heimweg. Zuhause hing dann das noch feuchte Boot zu Trocknen auf den Stühlen und wir – ebenso schlapp – auf den Liegestühlen mit dem Glas Wein in der Hand.

Es war ein wunderschöner Ausflug, sportlich und kalorienverbrennend, was mir ja aktuell auch nicht schadet. Trotzdem hoffe ich, dass wir mit dem nächsten Fluss einen weniger faulen erwischen. So wie die Tiroler Ache oder den White Peak River in »Lana – auf gefährlichen Pfaden«.

Habt einen schönen und hoffentlich sonnigen August
eure Moni


Eine kurze Leseprobe aus »Lana«? Ja, gerne.

Der Fluss hatte uns sogleich in seiner Gewalt. »Paddeln bis zur Mitte!«, lautete mein Befehl, dem Toby fleißig Folge leistete. Jetzt steuerte ich den Vorsprung an.
»Stärker paddeln!« Und mein Matrose legte einen Zahn zu, sodass wir elegant mit einer kleinen Drehung meines Paddels hinter dem Stein zum Stehen kamen. Das Wasser floss an den Seiten des Kajaks vorbei, das ruhig auf der Stelle liegen blieb.
Toby drehte sich um und sah mich fragend an. Ich grinste und hob einen Daumen. »Perfekt! So geht das, wenn man ein gutes Team ist. Du hast ganz schön Power, Junge!«

Nun breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Noch mal?« Ich nickte.
Es klappte wieder genauso gut, und wir schlossen zu den anderen auf, die auf uns warteten, nachdem es wohl beim vierten Versuch auch bei den Eltern Carson geklappt hatte. Beiden standen Schweißtropfen auf der Stirn. Laurel wirkte vergnügt und gar nicht ängstlich. Kunststück, Finn konnte die Tour wahrscheinlich alleine, rückwärts und auf dem Kopf stehend. Das Töchterlein musste nicht viel mehr tun, als ein wenig das Paddel zu befeuchten.

Finn lachte uns zu. »Sah gut aus bei euch.«

»Toby passt eben gut in mein Team«, erwiderte ich, was ein Stirnrunzeln bei Mr. Carson auslöste. Echt jetzt? Der Typ war neidisch, weil sich sein Sohn besser schlug?
»Du kennst den Fluss ja, Lana. Mr. und Mrs. Carson folgen mir dicht auf, um die Biegungen genauso zu erwischen wie Laurel und ich. Ihr könnt ja mit ein bisschen Abstand fahren.«
»Also doch langsam«, murrte Toby, was aber nur ich hören konnte, weil sich die anderen schon in den Fluss geschoben hatten. Ich klopfte ihm auf die Schulter, und er drehte sich mit Widerwillen auf dem Gesicht um.

»Wenn wir dicht hintenauf folgen, Toby, müssen wir Finns Schneckentempo halten. Er kann nicht anders, weil er Laurel im Boot hat, und vermutlich dauernd deine Eltern anleiten darf. Wir dagegen sind frei, solange wir keine Rettungsmission übernehmen müssen. Das heißt, wir bleiben so weit weg, dass wir sie gerade nicht aus den Augen verlieren und falls nötig eingreifen können. Da zählen Sekunden, sobald man in einem Strudel unter Wasser gedrückt wird. Aber was Finn meinte, war, dass wir ansonsten ein bisschen abwarten und dann flitzen können. Das mach ich nämlich echt gerne. Bereit für unser Abenteuer?«
Sein ungläubiger Blick verschwand bei meinen letzten Worten, und er nickte eifrig. Die beiden anderen Boote waren schon ein gutes Stück voraus, es wurde Zeit.
»Also los!«

Der Junge war klasse. Er hatte Kraft, er befolgte meine Befehle, die ich auch nur bei den ersten Manövern gab, denn er hatte den Dreh schnell raus. Wir waren ein super Team, wie wir uns in die Kurven legten, paddelten, bis uns die Arme lahm wurden, und jauchzten, wenn wir über die Stromschnellen glitten.

Und dann wird es gefährlich ...

Wir befanden uns bereits in voller Fahrt, da schrie Toby auf. Finn hatte sich auch gerade wieder in die Fluten begeben und konnte nicht wahrnehmen, was in seinem Rücken geschah. Ich stieß einen Pfiff aus, aber das Rauschen des Flusses war zu laut. Hilflos mussten Toby und ich mit ansehen, wie Carson einen anderen Weg als Finn einschlug – zwischen zwei Felsen hindurch – und sich verschätzte. Das Kajak verkeilte sich und wurde blitzschnell von den Strudeln gekippt. Der Mann flog aus dem Boot und wurde mitgerissen, doch von Mrs. Carson war nichts mehr zu sehen. Sie musste noch unter dem Boot sein!
»Paddeln, Toby!«, schrie ich überflüssigerweise, denn er war schon dabei.
»Wir fahren vor der Biegung ins Kehrwasser, und du kletterst an Land und hältst das Kajak. Ich gehe ins Wasser zu deiner Mum.«
Er wollte widersprechen, aber ich fuhr ihn an: »Keine Diskussion, ich kann mich nicht um zwei kümmern.«
Währenddessen kramte ich nach dem Wurfsack unter meinem Sitz. Inzwischen hatte Finn beim regelmäßigen Nachhintensehen erkannt, was geschehen war. Er hatte den nächsten beruhigten Bereich erreicht und fischte soeben Mr. Carson aus dem Wasser.

Nun hatten wir die letzte Möglichkeit vor der Unfallstelle anvisiert, an dem ich Toby in Sicherheit bringen konnte. Ich steuerte hinter den kleinen Vorsprung und befahl: »Rauf mit dir!« Er kletterte auf den Felsen, und ich warf ihm die Leine zu.
»Festhalten! Keinesfalls loslassen, sonst kommen wir aus dieser Schlucht nicht mehr raus.«
Ich packte den Sack und ließ mich mit den Füßen voraus treiben. Immer wieder stemmte ich mich gegen Felsen und Geröll, um unverletzt darüber zu trippeln. Rutschenderweise erreichte ich schließlich das Kajak. Ich griff unter das Boot und ertastete ihre Jacke. Verdammt, sie war tatsächlich noch unter Wasser.
Mit roher Gewalt drückte ich mich gegen das verkeilte Gefährt und versuchte, es anzuheben. Ich musste es bewegen, um an die Frau zu kommen. Meine ersten Bemühungen waren vergebens, das Kajak rührte sich kein Stück. Das eiskalte Wasser riss an meinen Beinen, und ich kämpfte darum, meinen sicheren Stand nicht zu verlieren.

Beim dritten Anlauf gelang es. Das Boot löste sich, und ich gab ihm einen Schubs, damit es gleich über die Frau flog, statt sie zu treffen. Finn würde es schon auffangen. Ich griff ins Wasser und zog mit einer Hand an Mrs. Carson. Sie zeigte keinen Hinweis darauf, dass sie in der Lage war mitzuhelfen. Nun hatte ich sie endlich so weit aus dem Wasser, dass ich ihr den mit Luft gefüllten Wurfsack unter die Brust schieben konnte, während ich sie unter beiden Achseln packte. Ihr Gesicht war wieder über Wasser, aber ihre Augen blieben geschlossen.
»Mrs. Carson! Hören Sie mich?«, schrie ich sie an, und glaubte ein kurzes Zucken der Augenlider zu erkennen. Doch es konnte natürlich auch das Spritzwasser sein. Langsam wurden meine Beine taub.

Mehr zum Romantikthriller »Lana – auf gefährlichen Pfaden«.

 

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